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Wie gestern berichtet, fordern die Beauftragten des Bundes und der Länder für Menschen mit Behinderungen, die Gesetzte so auszurichten, dass Menschen mit Behinderung ihre – gemäß UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) garantierten Menschenrechte – zugestanden werden. Ihre gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gesellschaft müsse nachhaltig gefördert und in vollem Umfang möglich sein.
Als Beauftragte für Menschen mit Behinderungen von Bund und Ländern setzen wir uns für die zügige Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) ein. Wir fordern die Bundes- und Landesregierungen auf, bestehende und zukünftige Gesetze konsequenter an der UN-Konvention auszurichten. Wir anerkennen besonders die Aktivitäten aus der Zivilgesellschaft zur Umsetzung der Konvention, stellen allerdings fest, dass „die Vorgaben der UN-Behindertenrechtskonvention hierzulande noch nicht hinreichend in der Lebenswirklichkeit der Menschen mit Behinderungen angekommen sind“ (Dt. Institut für Menschenrechte März 2015). Weiter heißt es dort, „dass Deutschland als Vertragsstaat weiter hinter seinen Möglichkeiten zurückgeblieben ist“.
Auf der Grundlage der entsprechenden Artikel der UN-BRK erkennen wir dringenden Handlungsbedarf in der Gesetzgebung (z. B. Sozialgesetzbücher, Behindertengleichstellungsgesetze, Schulgesetze der Länder; Bauordnungen der Länder) und die Umsetzung weiterer konkreter Maßnahmen.
Behinderungsbegriff: Artikel 1 UN-BRK setzt die individuellen Einschränkungen von Menschen mit Behinderungen in einen engen Zusammenhang mit den Barrieren der Umwelt. Behinderungen sind immer im Zusammenhang mit den Einschränkungen durch Umweltfaktoren zu sehen, durch die sie an der Teilhabe an der Gesellschaft gehindert werden. Wir fordern, das an Menschenrechten orientierte Verständnis von Behinderung gesetzlich zu verankern, insbesondere beim vorgesehenen Bundesteilhabegesetz sowie bei der Novellierung des Bundesbehindertengleichstellungsgesetzes.
Diskriminierungsverbot, Menschenrechte und Teilhabe (Artikel 4 UN-BRK): Seit Inkrafttreten der UN-Behindertenrechtskonvention (26. März 2009) ist die Gleichstellung der Menschen mit Behinderungen noch nicht erfolgreich umgesetzt. Ihre Beteiligung in öffentlichen Gremien und ihre Mitbestimmung ist nicht ausreichend sichergestellt. Als Beauftragte für Menschen mit Behinderungen fordern wir, bei der Neufassung der Gleichstellungsgesetze im Bund und den Ländern die Stärkung der Selbstvertretung der Menschen mit Behinderungen, niedrigschwellige Sanktionsmöglichkeiten bei Verstößen gegen die Rechte der Menschen mit Behinderungen und Schiedsstellen einzurichten. Die Stärkung der Schwerbehindertenvertretungen in den Betrieben und Dienststellen und der Werkstatträte ist im Koalitionsvertrag der die Bundesregierung tragenden Parteien angekündigt, sie muss endlich umgesetzt werden. Die besonderen Belange von Menschen, die Mehrfachdiskriminierungen ausgesetzt sein können, sind zu regeln, z.B. für Frauen mit Behinderungen gem. Artikel 6 UN-BRK. Es bedarf verstärkter Anstrengungen beim Schutz von behinderten Frauen am Arbeitsmarkt, beim Schutz insbesondere von Mädchen und Frauen vor sexualisierter Gewalt und den verstärkten Schutz von behinderten Menschen mit Einwanderungsgeschichte.
Angemessene Vorkehrungen (Artikel 5 UN-BRK): Nach Art 5 UN-BRK treffen die Vertragsstaaten alle geeigneten Schritte, um angemessene Vorkehrungen zu gewährleisten. Wir fordern, das Recht auf angemessene Vorkehrungen gesetzlich zu verankern. Dazu gehören alle individuellen Unterstützungsleistungen, die Menschen mit Behinderungen in ihrer gleichberechtigten Teilhabe am Leben in der Gesellschaft fördern.
Bewusstseinsbildung (Artikel 8 UN-BRK): Obwohl in den Medien auf allen Ebenen das Thema Inklusion präsent ist, wissen viele Bürger/innen mit dem Begriff nichts anzufangen. Dabei ist Teilhabe bzw. Inklusion ein Menschenrecht. „Niemand darf wegen einer Behinderung benachteiligt werden“. Es gilt die Stärken und Fähigkeiten von Menschen mit Behinderungen durch Öffentlichkeitsarbeit auch in den Medien in den Fokus zu rücken. Vorurteile und Klischees über Menschen mit Behinderungen müssen abgebaut werden. Zur Umsetzung dieser Ziele müssen unter Beteiligung der wissenschaftlichen Fachdisziplinen Konzepte und Strategien entwickelt werden.
Barrierefreiheit (Artikel 9 UN-BRK): Nach der UN-Behindertenrechtskonvention sind die Vertragsstaaten verpflichtet geeignete Maßnahmen zu treffen, um Menschen mit Behinderungen den gleichberechtigten Zugang zur Umwelt zu ermöglichen. Der Abbau von Barrieren stellt die Grundlage für die Teilhabe von Menschen mit Behinderungen am gesellschaftlichen Leben dar. Barrierefreiheit muss daher bei allen Gesetzgebungsprojekten als Standard mitgedacht und umgesetzt werden. Auch private Unternehmen mit öffentlich nutzbaren Angeboten dürfen sich der Verantwortung für einen diskriminierungs- und barrierefreien Zugang nicht entziehen. Deshalb fordern wir die Einbeziehung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes bei der Novellierung des Bundesbehindertengleichstellungsgesetzes.
Gleiche Anerkennung vor dem Recht / Zugang zur Justiz (Artikel 12/13 UN-BRK): Menschen mit Behinderungen sind Rechtspersonen wie jeder Mensch ohne Behinderung, es gilt die gleiche Anerkennung vor dem Recht. Um dieses Recht wahrnehmen zu können, muss eine barrierefreie Kommunikation sichergestellt sein. Dies gilt für Menschen mit Hör- und / oder Sehbehinderungen sowie für Menschen, die in anderer Weise in der Kommunikation eingeschränkt sind. Insbesondere für Menschen mit kognitiven Behinderungen gilt es Informationen in leichter Sprache zu übermitteln. Ferner sollen die im Justizwesen tätigen Personen durch entsprechende Schulungen im Umgang mit Menschen mit Behinderungen fortgebildet werden. Dieses sollte bei der Novellierung der Gleichstellungsgesetze, des Gerichtsverfassungsgesetzes und anderer Fachgesetze verankert werden.
Inklusives Schulsystem (Artikel 24 UN-BRK) und Arbeit und Beschäftigung (Artikel 27 UN-BRK): Deutschland ist noch weit entfernt von einem inklusiven Bildungssystem. Alle Bundesländer müssen noch intensive Schritte unternehmen, um ein inklusives Schulsystem zu erreichen. Ziel eines inklusiven Arbeitsmarktes muss es sein, mehr Arbeitsplätze für Menschen mit Behinderungen bereit zu stellen. Der Zugang zu den Werkstätten muss minimiert werden und der Übergang von Beschäftigten aus den Werkstätten auf den Allgemeinen Arbeitsmarkt muss signifikant gesteigert werden. Wir treten deshalb dafür ein, notwendige Unterstützungs- bzw. Assistenzleistungen bereitzustellen. Wir bekräftigen, dass auch Menschen mit hohem Unterstützungsbedarf ein Recht auf berufliche Bildung nach Artikel 24 UN-BRK haben und sie nicht von der Teilhabe am Arbeitsleben ausgegrenzt werden dürfen. Als Anreiz für die Unternehmen setzen wir uns für die Erhöhung der Ausgleichsabgabe ein, besonders für die hohe Anzahl von Unternehmen, die trotz Beschäftigungspflicht überhaupt keine Menschen mit Behinderungen beschäftigen.
Senatskoordinatorin für die Gleichstellung behinderter Menschen
der Freien und Hansestadt Hamburg
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