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Heute, 23. September 2015 findet im Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz des Deutschen Bundestages unter Vorsitz der Grünen-Abgeordneten Renate Künast eine Sachverständigen-Anhörung zu den vier Gesetzentwürfen statt, die die Arbeit unseres Vereins verbieten oder einschränken wollen. Die
Anhörung leidet unter drei gravierenden rechtsstaatlichen
Mängeln.
1. Sachverstand
Drei der vier Gesetzentwürfe greifen in die StHD-Arbeit mit strafrechtlichen Verboten ein. Strafrecht als ultima ratio des Rechtsstaats bedarf stets des Nachweises, dass dem Staat mildere Mittel nicht zur Verfügung stehen. Das heißt, dass im Gesetzgebungsverfahren anhand belegbarer Fakten nachgewiesen werden muss, dass ein Missstand herrscht oder droht und dass dieser Missstand nur mit einem strafrechtlichen Verbot effektiv bekämpft werden kann. In keinem der vier Gesetzentwürfe wird irgendein Missstand anhand von Fakten belegt. Keiner der Entwürfe unternimmt auch nur ansatzweise den Versuch, die Arbeit von StHD sorgfältig zu analysieren. Umso dringender wäre es, dass in die Anhörung des federführenden Parlamentsausschusses Sachverständige geladen werden, die die Praxis kennen. Keine bzw. keiner der 12 geladenen Sachverständigen verfügen jedoch über solche eigenen Kenntnisse. Die Anhörung eines Sachverständigen mit jahrelanger praktischer Erfahrung wie des StHD-Geschäftsführers Jakub Jaros wäre für ein rechtsstaatliches Gesetzgebungsverfahren unerlässlich.
2. Rechtliches Gehör
Zu den grundlegenden Rechtsstaats-Garantien gehört der Anspruch auf rechtliches Gehör: Bevor der Staat belastende Maßnahmen ergreift, muss er dem Adressaten die Möglichkeit geben, sich zur geplanten Maßnahme zu äußern. Alle vier Gesetzentwürfe haben teils ausschließlich, teils überwiegend unseren Verein im Visier. Der – vermutlich erfolgreiche – Verbotsentwurf Brand / Griese (BT-Drucksache 18/5373) ist bis in die Details der Begründung auf unseren Verein zugeschnitten. Da StHD der einzige Verein ist, der Sterbehilfe organisiert in Deutschland anbietet, ist er der einzige Verein, der von den vier Gesetzentwürfen direkt betroffen ist. Dass keinem StHD-Vertreter in der morgigen Sachverständigen-Anhörung Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben wird, macht das gesamte Gesetzgebungsverfahren rechts-staatswidrig.
3. Plagiat
Am 26. August 2015 erklärte der CDU-Bundestagsabgeordnete Michael Brand in einer Pressemitteilung: „Wir sind uns nach der Analyse führender Juristen sicher, dass… wir uns auf die Verfassungsmäßigkeit unseres sehr sorgfältig und aufwändig erarbeiteten Gesetzentwurfs verlassen können… Die uns beratenden Juristen aus Strafrecht, Verfassungsrecht, Medizinrecht haben zu einem Gesetzentwurf beigetragen, der sich vor dem Gang nach Karlsruhe nicht ängstigen muss.“
Am selben Tag sagte Brand in der Tagesschau, jahrelang hätten er und seine Kollegen der anderen Fraktionen mit dutzenden Juristen an dem Gesetzentwurf gearbeitet.
Sein Gesetzentwurf ist jedoch ein schlichtes Plagiat, abgekupfert von einem Vorschlag, den der Gießener Jura-Professor Steffen Augsberg zusammen mit dem Nichtjuristen Eugen Brysch vor vielen Monaten – am 8. Mai 2014 – veröffentlicht hat. Die intellektuelle Leistung von Michael Brand beschränkt sich darauf, den Augsberg-Vorschlag sprachlich so modifiziert zu haben, dass das Plagiat nicht auf den allerersten Blick erkennbar ist. In der beigefügten Synopse wird deutlich, dass der Brand-Entwurf gegenüber dem Augsberg-Vorschlag keinen einzigen eigenständigen juristischen Gedanken enthält.
Aus Sicht des StHD-Vorstands ist die politisch-moralische Glaubwürdigkeit von Michael Brand auf derselben Stufe wie die der anderen Plagiats-Politiker Guttenberg, Schavan usw. Aber für die Rechtsstaatlichkeit des Gesetzgebungsverfahrens ist etwas anderes viel wichtiger:
Renate Künast als Vorsitzende des Rechtsausschusses hat zur morgigen Anhörung Professor Augsberg als Sachverständigen geladen. Damit gibt sie ihm ein parlamentarisches Forum, auf dem er sich mit der Aura wissenschaftlicher Unabhängigkeit „sachverständig“ zu den vier vorliegenden Gesetzentwürfen äußern kann, also auch zu seinem eigenen.
Professor Augsberg hat dem Rechtsausschuss vor wenigen Tagen seine schriftliche Stellungnahme zugeschickt. Es überrascht nicht, dass er seinen eigenen Vorschlag vom 8. Mai 2014 an keiner Stelle erwähnt. Es überrascht ebenfalls nicht, dass Augsberg von den vier Entwürfen die drei anderen für verfassungswidrig hält und nur seinen eigenen Entwurf mit dem Plagiatsnamen „Brand/Griese“ lobt: Nur dieser Entwurf sei verfassungskonform, integritäts- und autonomieschützend.
Hierzu erklärt der StHD-Vorstand: „Renate Künast beschädigt das Ansehen unserer parlamentarischen Demokratie in beispielloser Weise: Sie gibt dem Verfasser eines Gesetzentwurfs die Möglichkeit, vor dem maßgeblichen parlamentarischen Gremium in der Rolle des vermeintlich unabhängigen Sachverständigen für seinen eigenen Entwurf zu werben. Entweder kannte Frau Künast den Augsberg-Vorschlag nicht. Dann ist sie in ihrem Amt überfordert. Oder die Ladung von Professor Augsberg ist ein bewusster Akt, mit dem Frau Künast vor dem CDU/CSU-Fraktionsvorstand einknickt. Dieser Verstoß gegen grundlegende Rechtsstaatsprinzipien unter Inkaufnahme der massiven Grundrechtseinschränkung der Bürgerinnen und Bürger ist ein Skandal und ein Vergehen an der parlamentarischen Demokratie.
Frau Künast muss ihr Amt als Vorsitzende des Rechtausschusses sofort niederlegen, die Anhörung heute absagen und einer Nachfolgerin oder einem Nachfolger die Gelegenheit geben, das Gesetzgebungsverfahren in rechtsstaatlich sauberer Weise neu aufzurollen.“
Synopse Vorschlag Augsberg – Brysch – Gesetzentwurf Brand – Griese
Sterbehilfe Deutschland e.V. StHD
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