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Es gibt unterschiedliche Ausprägung der Multiplen Sklerose. Schubförmig, chronisch und chronisch mit sogenannt aufgesetzten Schüben. Bei den schubförmigen Varianten hat der MSler in kürzeren oder längeren Abständen eine extrem akute Verschlechterung seiner Symptomatiken. Unbehandelt können diese viele Wochen vor sich hinplätschern, was weder den Nervenbahnen gut tut, noch dem Allgemeinbefinden des MSlers. Und: Je länger so ein Schub dauert, desto größer ist der Lottogewinn, dass sich die Symptome nicht mehr zurückbilden. Deshalb sollten Schübe immer behandelt werden.
Das einzig schnell wirksame Medikament in der Behandlung von Schüben ist Cortison. Bei dieser sogenannten Stoßtherapie bekommt der MSler 3 Tage je 1gr, 3 Tage je 2gr, 5 Tage je 1gr. oder 5 Tage je 2 gr Cortison. 1 gr sind 1.000 mg. Die Höhe der Dosierung hängt vom Symptombild, der Erkrankungsdauer, aber auch den Ärzten ab. Oft ist es so, dass die Ärzte es mit 3 Tagen je 1 gr. versuchen. Einerseits helfen drei Tage schon, andererseits ist die Cortisongabe nicht so lang, dass sich viele oder starke unerwünschte Wirkungen ausprägen können. Immer wieder beobachte ich in den MS-Ambulanzen, im Krankenhaus oder in den MS-Foren im Internet allerdings, dass der Symptomrückgang bei einer fünftägigen Therapie stärker ist, als bei nur drei Tagen. Tatsächlick kommt es auch vor, dass es nicht hilft. Nach der Gabe wird in aller Regel 14 Tage gewartet und dann geschaut, wie sich die Symptomatiken entwickelt haben. Hat sich nichts oder nicht viel getan, werden noch einmal 3 Tage lang 1 oder 2 gr. gegeben. Und hilft das immer noch nicht, erhält der geneigte Patient das Cortison als „Getränk“. Guten Appetit! Um dem vorzubeugen, dringe ich selbst immer auf 5 Tage je 1 gr. da ich damit die besten Erfahrungen gemacht habe. Zwar bedarf es ausgiebiger Überredungskunst, aber wenn man den Arzt bekniet, funktioniert das.
Achtung! Einige Ärzte sind der Meinung, sie müßten die Therapie ausschleichen. Ausschleichen heißt in diesem Falle, dass der Patient Cortison noch einige Zeit nach der Infusionszeit in Tablettenform bekommt. Diese Ärzte glauben, dass sie mit dem Ausschleichen auch noch die letzten Symptomreste bezwingen könnten. Das halte ich für Quatsch! Lassen Sie sich darauf nicht ein. Wenn Symptomatiken tatsächlich noch weggehen, ist das der normale Prozess des Entzündungsrückganges, den der Körper anschiebt und den Sie auch ohne die Tabletten hätten. Suchen Sie sich dann lieber einen anderen Neurologen. Das Ausschleichen macht man heute nicht mehr. Denn der Nutzen, wenn es denn überhaupt einen gibt, überwiegt in keiner Weise den Schaden, der durch eine Daueranwendung des Cortisons entsteht. Und von Daueranwendung kann man durchaus sprechen, wenn man die Zeiten der Infusionsgabe und die Zeit des Ausschleichens zusammenzieht. Mit Schaden meine ich Nebenwirkungen, die kein Mensch braucht, aber auch schleichende Schäden, die im Körper angerichtet werden, wie Ostheoporose und Anderes. Cortison, über einen längeren Zeitraum angewandt, richtet nämlich durchaus Schäden im Körper an. Wie schon Paracelsus sagte: „Die Dosis macht das Gift.“ Cortison ist ein Wundermittel und seit gut 50 Jahren im Einsatz – nicht nur bei MS sondern bei vielen entzündlichen Prozessen. Aber leichtfertig, sollte man dennoch nicht mit ihm umgehen. Hat die Infusionstherapie nicht gewirkt oder nicht genügend gewirkt, das stellen Sie nach ca. zwei Wochen nach Behandlungsende fest, besprechen Sie das mit Ihrem Neurologen und lassen Sie sich lieber noch einmal eine Stoßtherapie geben.
Aber! Bei fast jedem Schub, insbesondere wenn Sie die Krankheit schon länger haben bzw. schon einige Schübe hinter sich haben, bleiben Symptomatiken zurück. Das ist das Wesen der Krankheit. In aller Regel gehen praktisch alle Symptome am Anfang der Krankheit durch die Behandlung wieder weg. Doch je länger Sie die Krankheit haben, desto größer sind die Schäden in Ihrem Körper und desto mehr bleibt zurück – das kann selbst das Wundermittel Cortison dann nicht beheben. Also: Erwarten Sie Wunder – aber nicht das Unmögliche.
Verabreicht wird das Medikament als Infusion, wobei der Kranke anfangs die Therapiezeit im Krankenhaus verbringt, wo er jeden Morgen seinen Beutel bekommt, später, wenn er seine Begleiterscheinungen kennt und gut zurechtkommt, ihn ambulant erhält. Die Gabe dauert zwischen 50 Minuten und zwei Stunden. Auch das hängt davon ab, wie gut man das Medikament verträgt. Geht es einem gut, oder wird man mit seinen Nebenwirkungen fertig, gibt es keinen Grund, den Tropf nicht ein wenig schneller fließen zu lassen. Geht es einem nicht so gut, oder treten während der Infusion plötzlich unerwünschte Wirkungen auf, muss man den Tropf eben langsam laufen lassen.
Egal, was Sie im Internet über das böse, böse Cortison lesen. Die meisten Darstellungen sind maßlos übertrieben. Einerseits gibt es auch unter MSlern Personen, die ihre 5 Minuten Popularität benötigen, und wenn es nur im Netz ist, andererseits neigen Menschen per se oft zu Übertreibungen. Zum Dritten muss man auch sagen, dass viele unangenehmen körperlichen Zustände im Nachhinein in der Phantasie oft potentiert werden. Natürlich gibt es auch die Personen, die eine kindisch dümmliche Freude daran haben, andere Menschen in Angst und Schrecken zu versetzen, indem sie Horrorgeschichten von Herzstillständen, Suiziden und ähnlichen Zwischenfällen propagieren. Nö! So etwas habe ich in meiner zwanzigjährigen MS-Karriere in der Praxis niemals erlebt. Also, keine Angst vor Cortison. Es schützt Sie und das Faszinierende an ihm ist: Schon nach wenigen Stunden spüren sie die ersten Symptomrückgänge. Versprochen!
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