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Heute führe ich die Vorstellung der Übungen Gangunsicherheit fort
Ich gehe davon aus dass Sie die Übungen 1-3 so lange durchgeführt haben, dass Sie sie nun weitestgehend, im Rahmen Ihrer Einschränkungen, beherrschen. Deshalb möchte ich heute auf einen weiteren Aspekt der Gangunsicherheit eingehen. Sehr viele MSler haben neben der Gangunsicherheit, den steifen Beinen und der Fußheberschwäche auch noch das Problem, das Gleichgewicht während des Gehens zu halten. Wir schwanken hin und her, vor und zurück, als ob wir ununterbrochen gegen Windböen ankämpfen müßten.
Diesem Umstand kann man begegnen. Vermutlich hat Ihnen Ihre Physiotherapeutin die Übung im Vierfüßlerstand beigebracht, bei der Sie sich auf Hände und Kniee hinabbegeben, dann sicheren Stand beibehalten sollen, und anschließend abwechselnd den linken Arm und das rechte Bein und dann den rechten Arm und das linke Bein vom Körper wegstrecken sollten – und es hat nicht geklappt! Gleichgewichtsübungen im Vierfüßlerstand funktionieren bei MSlern nur sehr selten, da die Gleichgewichtsstörung nicht nur vom Innenohr ausgelöst wird. Vielmehr ist bei uns das Gleichgewichtsareal im Gehirn kompromitiert – und das ist was ganz anderes.
Folgend: Wenn der Mensch etwas tut, dann nimmt er seine Lage im Raum mit den Augen wahr. Flüssigkeit im Innenohr, in den sogenannten Bogengänge, die innen mit feinen Haaren ausgekleidet sind, signalisieren dem Gehirn, in welcher Körperhaltung sich der Kopf und der restliche Körper befinden. Das gesamte System nennt sich vestibuläres System. Die genauen Zusammenhänge will ich hier nicht erklären, da sie für unsereins nicht wichtig sind.
Denn bei uns ist meist das Gleichgewichtsorgan völlig in Ordnung. Wichtig ist für uns, dass diese ganzen Informationen im Gehirn blitzschnell verarbeitet werden und der Mensch anschließend weiß, welche Lage er aktuell im Raum einnimmt. Und genau dieses Areal ist bei vielen MSlern kompromitiert – beispielsweise durch Entzündungs- oder Entmarkungsherde. Und so kann es natürlich nicht funktionieren. Aber bevor Sie sich darauf verlassen, dass Ihr Gleichgewichtsorgan in Ordnung ist, lassen Sie es bitte abchecken. Wenn dem so ist, dann kann Ihnen folgende Übung helfen, dennoch wieder ins Lot zu finden.
Hier kommt wieder die Plastizität des Gehirns ins Spiel. Wie ich schon erläuterte: Nur wenn Sie Ihr Gehirn aufrütteln, und ihm signalisieren, dass es etwas Neues lernen soll, bemüht es sich darum und schenkt Ihnen und Ihren Übungen die nötige Aufmerksamkeit. Dabei ist das Gehirn in der Lage, sich Neuem anzupassen und Neues zu lernen. Aber nur, wenn Sie es schaffen, Ihr zu bewegen, diesen neuen Bewegungsablauf zu lernen, ist es außerdem Gehirn dazu wichtig, dass Sie die Übung regelmäßig, am besten jeden Tag machen.
In diesem speziellen Fall lernt einfach ein anderes Areal, das Gleichgewicht zu halten und übernimmt die Aufgaben des kaputten Areals.
Übung 4. Kopf hoch und geradeaus:
1. Suchen Sie sich einen Parkweg, einen längeren Durchgang oder einen ähnlich ebenen Weg, der links und rechts gesäumt ist, beispielsweise von Mauern, Bäumen oder ähnlichem.
2. Jetzt führen Sie wieder den Storchengang wie in Übung drei dargestellt durch. Es ist wichtig, dass Sie diese Übung immer vor der vierten Übung machen, bis Sie die vierte Übung beherrschen. Später werden Sie diese dritte Übung immer häufiger weglassen.
3. Jetzt können Sie die vierte Übung beginnen. gehen Sie ganz normal den Gang oder Weg entlang. Heben Sie den Kopf und blicken Sie ruhig geradeaus.
4. Teilen Sie nun Ihre Aufmerksamkeit, indem Sie während des Geradeausblickens die Bäume oder Wände links und rechts von Ihnen wahrnehmen.
5. Nutzen Sie diese Bäume oder Wände links und rechts von Ihnen als Abstandsmesser. Indem Sie immer gleich weit sowohl von Ihrer rechten als auch linken Seite entfernt sind, gehen Sie gerade diesen Weg entlang.
6. Anfangs können Sie die Hilfe einer anderen Person nutzen, die Sie entweder am Arm ergreift, oder die Sie selbst am Arm ergreifen, oder diese Person geht hinter Ihnen und achtet darauf, dass Sie nicht stürzen.
7. Wenn es Ihnen hilft, strecken Sie, um das Gleichgewicht zu halten, anfangs gern die Arme vom Körper.
8. Alternativ zu einem Parkweg oder Laubengang, können Sie diese Übung auch in Ihrem Keller durchführen, wenn Sie dort einen langen geraden Gang mit ebenem Boden haben. Dies kann sogar vorteilhafter sein, wenn dieser Gang beispielsweise nur 1,60m breit ist. So können Sie sich sofort abstützen, wenn Sie das Gleichgewicht verlieren. Und wenn es zu anstrengend wird, sind Sie auch gleich zu Hause.
9. Seien Sie vorsichtig, und versuchen Sie diese Übung anfangs nicht draußen im normalen Tagesgeschehen. Unsere Gehwege sind dazu oft viel zu uneben und die Sturzgefahr ist dabei doch extrem.
10. Denken Sie daran, dass Sie vielleicht noch nach Hause gehen oder radeln müssen. Also nicht zu viel.
11. Machen Sie diese Übung anfangs nur wenige Minuten, da Sie sich zuerst vermutlich im Kopf-Hals-Bereich verkrampfen werden und Kopfschmerzen bekommen können.
12. Aber machen Sie diese Übung viele Male am Tag. Das Gehirn ist ein extrem faules Organ und tut nur etwas, wenn es unbedingt muss. Seine Plastizität greift nur, wenn es stark gefordert wird. Sonst verlagert sich die Tätigkeit des kaputten Areals nicht auf ein gesundes.
13.Wenn Sie eine Weile geübt haben, versuchen Sie anfangs, sie bewusst zu Hause, ohne die links und rechtsseitigen Hilfsmittel wie Bäume oder Mauern, zu machen. Dort können Sie sich überall festhalten und haben Zeit. Also versuchen Sie noch nicht, diese Übung beim normalen Gehen auf der Straße durchzuführen – die Gefahr des Stürzens ist zu groß.
14. Wenn Sie dann soweit sind, können Sie sie im „normalen Tagesgeschäft“ und auch auf der Straße ausprobieren.
Vor dieser Übung auch immer die dritte Übung durchführen. Nur wenn Sie Ihr Gehirn aufrütteln, und ihm signalisieren, dass es etwas Neues lernen soll, bemüht es sich darum und schenkt Ihnen und Ihren Übungen die nötige Aufmerksamkeit. Das nennt man „die Plastizität des Gehirns“. Dabei ist das Gehirn in der Lage, sich Neuem anzupassen und Neues zu lernen.
Hilfreich kann es auch sein, diese Übung barfuß oder mit ganz dünnsohligen Schuhen zu machen, damit der Fuß und damit das Gehirn eine dauernde unregelmäßige Stimulation erfährt.
Für MSler ist es sinnvoll, kleinere Schritte zu machen. Das kann bei Fußheberschwäche dazu führen, dass die Schwäche früher eintritt, da die sie in aller Regel nach einer bestimmten Anzahl von Be- und Entlastungsbewegungen auftritt (einige MSler können nur 800 Schritte machen, bis der Fußheber nicht mehr will, andere 4.000. Das hängt von der Stärke der Fußheberstörung ab), macht Ihren Gang aber sicherer.
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