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Jun 22 2015

Gesundheitspolitik verstößt gegen Grundgesetz

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Die derzeitige Gesundheitspolitik berücksichtigt weder die Bedürfnisse der Bürger noch die Interessen der Ärzte. Darin waren sich viele Referenten auf dem Kongress Freier Ärzte in Berlin am 13. Juni einig. Unter dem Titel „Freiheit und Privatsphäre – nur noch Fiktion in der Medizin?“ diskutierten Juristen, Ärzte und Datenexperten über Versorgungsstärkungs- und E-Health-Gesetz sowie die Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ).

„Das GKV-Versorgungsstärkungsgesetz (VSG) stärkt nicht die medizinische Versorgung der Bevölkerung, sondern verschlechtert sie“, sagte Wieland Dietrich, Vorsitzender der Freien Ärzteschaft e. V. „Wenn Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe Tausende von inhabergeführten, wohnortnahen Arztpraxen abbauen will, handelt er entgegen der Erkenntnis, dass eine älter werdende Bevölkerung mehr Ressourcen und Behandlungsmöglichkeiten erfordert.“ Dennoch will der Gesetzgeber mit dem VSG die Gesundheitsversorgung „zukunftsfest“ machen. „Die Zukunftsfestigkeit des VSG zeigt sich im kompromisslosen politischen Willen zur Manifestation staatsmedizinischer Strukturen“, kritisierte Dr. Thomas Drabinski, Leiter des Instituts für Mikrodatenanalyse in Kiel.

Auch einem verfassungsrechtlichen Blick hält das VSG nicht Stand: Die zunehmende Ausrichtung der Medizin auf Wirtschaftlichkeit stehe dem Grundgesetz entgegen, das den Rechtsgütern „Leben“ und „Gesundheit“ verfassungsrechtlichen Höchstrang zuspreche, machte Wolfram-Arnim Candidus klar. „Der Mediziner darf sich aus Gründen der Wirtschaftlichkeit nicht über anerkanntes Fachwissen und feste Standards der Medizin zum Nachteil des Patienten hinwegsetzen“, erläuterte der Präsident der Bürger Initiative Gesundheit e. V.

Das Gold des Jahrhunderts: Patientendaten

Der Kongress nahm ebenso das geplante neue E-Health-Gesetz genau unter die Lupe. Dr. Silke Lüder, Vizevorsitzende der Freien Ärzteschaft, benannte die Profiteure des Gesetzes: „Die Medizinindustrie hat guten Grund, sich auf lukrative Geschäfte mit Patientendaten zu freuen. Medizindaten gelten jetzt schon als das Gold unseres Jahrhunderts“. Die Biotechnologie-Branche etwa habe bereits gefordert, die auf der elektronischen Gesundheitskarte (eGK) gespeicherten Patientendaten für ihre Geschäfte nutzen zu können. Auch die ersten Krankenversicherungen lockten ihre Versicherten mit Bonuszahlungen für Datenspeicherungen.

Kai-Uwe Steffens vom Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung verglich das E-Health-Gesetz mit der Wiedereinführung der Vorratsspeicherung von Telekommunikationsdaten. „Das E-Health-Gesetz entfaltet ein ähnlich großes Zerstörungspotenzial für das Grundrecht auf Privatheit“, so der Informatiker. Schon der Abgleich der sogenannten Versicherten-stammdaten häufe eine enorme Datenhalde an, aus der detaillierte Aussagen über die Krankengeschichte von Patienten ableitbar seien. Rechtsanwältin Dr. Franziska Meyer-Hesselbarth ergänzte: „Bei medizinischen Daten auf der eGK steht außer Frage, dass diese zugleich der ärztlichen Schweigepflicht unterliegen.“ Jedem, der sich mit der Materie eingehend und vorurteilsfrei beschäftige, sei schnell klar, das Mammutprojekt eGK sei datenschutztechnisch auf Sand gebaut worden. „Die Ärzte laufen beim Einsatz der eGK Gefahr, Ordnungswidrigkeiten oder gar Straftaten zu begehen.“

„In hohem Maße intransparent“

Auch die neue Gebührenodnung für Ärzte (GOÄ) beschäftigte die Referenten und die zahlreichen Kongressteilnehmer, darunter viele Ärzte. Als „im hohen Maße intransparent“ kritisierte Rechtsanwalt Michael Lennartz den eingeschlagenen Verhandlungsweg. Es sei, nicht absehbar, wie die Ausgestaltung des Leistungskataloges genau erfolge und wie die ärztlichen Leistungen bepreist würden. Diffus sei auch die Ausgestaltung des sogenannten Paragraphenteils, bei dem es auf den genauen Wortlaut ankomme. „Es nützt nichts, wenn vom Erhalt der Analogberechnung und von der Möglichkeit von höheren Steigerungssätzen gesprochen wird, wenn die Formulierung nicht zur Prüfung zugänglich ist“, sagte Lennartz.

„Es ist unverständlich, dass ärztliche Berufsverbände erst nach Präsentation der Verhandlungsergebnisse in die Willensbildung einbezogen werden sollen, da dann die entscheidenden Weichen bereits gestellt sind.“ Der Rechtsanwalt votiert deshalb für die Beibehaltung der bisherigen GOÄ-Systematik, die es dem Verordnungsgeber ohne Weiteres ermögliche, auch neue Leistungspositionen und wirtschaftliche Entwicklungen adäquat abzubilden.

Über die Freie Ärzteschaft e.V.

Die Freie Ärzteschaft e. V. (FÄ) ist ein Verband, der den Arztberuf als freien Beruf vertritt. Er wurde 2004 gegründet und zählt heute mehr als 2.000 Mitglieder: vorwiegend niedergelassene Haus- und Fachärzte sowie verschiedene Ärztenetze. Vorsitzender des Bundesverbandes ist Wieland Dietrich, Dermatologe in Essen. Ziel der FÄ ist eine unabhängige Medizin, bei der Patient und Arzt im Mittelpunkt stehen und die ärztliche Schweigepflicht gewahrt bleibt.

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