.
.
Fachkonferenz zeigt gelungene Beispiele für Teilhabe
Er war ein Kind ohne Einschränkungen – bis eine Impfung alles veränderte im Leben von Carsten Trimpop. Die Folge war, dass lange Zeit immer andere über das Leben des jungen Mannes mit Behinderung bestimmten. Nach der Förderschule ging es für ihn in die Werkstatt für behinderte Menschen, mangels anderer Möglichkeiten zog er dann in eine Wohnstätte. Den grundlegenden Richtungswechsel brachte für Trimpop erst sein persönliches Budget. Mit dieser Form der Unterstützung konnte der Mitvierziger selbst bestimmen, wo und mit wem er wohnt. Seine Arbeitsassistenz ermöglicht ihm, rund um die Uhr sein Leben nach seinen eigenen Vorstellungen zu gestalten. Carsten Trimpop ist heute Inklusionsbotschafter und bestes Beispiel dafür, wie selbstbestimmte Teilhabe, ein Leben mitten in der Gesellschaft aussieht.
„Selbst bestimmen mit Persönlichen Budgets“ lautete der Titel der Fachkonferenz, die am 5.11. im Bundestag veranstaltet wurde. Der Einladung der Beauftragten der Bundesregierung für die Belange behinderter Menschen, Verena Bentele, und des rheinland-pfälzischen Landesbeauftragten, Matthias Rösch, folgten Bundestagsabgeordnete und die behindertenpolitischen Sprecher der Fraktionen. Sie kamen mit Menschen zusammen, die bereits vom persönlichen Budget profitieren. Auch der rheinland-pfälzische Sozialstaatssekretär David Langner sowie die Parlamentarische Staatssekretärin aus dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales, Gabriele Lösekrug-Möller, beteiligten sich an dem Erfahrungsaustausch.
Die Beauftragte der Bundesregierung für die Belange behinderter Menschen, Verena Bentele, sagte: „Immer noch wissen zu wenige Menschen mit Behinderungen und zu wenige Angestellte in den Sozialämtern, welche Möglichkeiten das Persönliche Budget bietet. Und längst nicht alle Kostenträger bewilligen das persönliche Budget. Ich fordere mit Nachdruck, dass Menschen mit Behinderungen gute und kostenfreie Unterstützung bei der Beantragung und Verwaltung ihres Budgets zur Verfügung gestellt wird. Das kommende Bundesteilhabegesetz bietet eine Chance, die Wunsch- und Wahlrechte für Menschen mit Behinderung zu stärken. Auch und gerade dadurch, dass Persönliche Budgets besser erklärt und leichter genutzt werden können. Sie sollen zukünftig nicht die Ausnahme, sondern die Regel darstellen und damit zu Regelleistungen werden.“
In seinem Grußwort erklärte der rheinland-pfälzische Sozialstaatssekretär David Langner: „Unsere Politik für Menschen mit Behinderungen ist getragen von drei Leitgedanken: Teilhabe, Gleichstellung und Selbstbestimmung. Rheinland-Pfalz hat bereits im Jahr 1998 das Persönliche Budget für Menschen mit Behinderungen modellhaft eingeführt, um Selbstständigkeit, Teilhabe und Selbstbestimmung der betroffenen Menschen mit passgenauen und individuellen Maßnahmen zu fördern. Genau wie bei unserer damaligen Pionierarbeit brauchen wir auch heute mutige Protagonisten, um das neue Bundesteilhabegesetz zu einem echten „Teilhabe“-Gesetz werden zu lassen. Die heutige Fachkonferenz gibt hierfür einen wichtigen Impuls.“
Das bestätigte auch Matthias Rösch, Landesbeauftragter für die Belange behinderter Menschen in Rheinland-Pfalz: „In Rheinland-Pfalz gibt es eine gute Tradition persönlicher Budgets als Alternative zu Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen. Mit dem Bundesteilhabegesetz erwarte ich eine Stärkung persönlicher Budgets, um die Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen voran zu bringen.“
Mit dem Persönlichen Budget können Menschen mit Behinderungen anstelle von festgelegten Sach- und Dienstleistungen ein nach dem individuellen Bedarf bemessenes Budget in Form eines Geldbetrags oder eines Gutscheins erhalten. Somit können sie als Experten in eigener Sache unabhängiger und mit flexiblen, selbst gewählten Hilfen ihr Leben gestalten. Sie kaufen sich also die Leistungen ein, die für eine selbstbestimmte Lebensführung notwendig sind. Seit 1. Januar 2008 besteht ein Rechtsanspruch auf den Erhalt des Persönlichen Budgets, sofern ein Anspruch auf eine Leistung nach den einzelnen Leistungsgesetzen besteht.
Pressestelle Behindertenbeauftragte Berlin
.
Fachkonferenz und Wirklichkeit
Leider sieht die Wirklichkeit völlig anders aus. Frau Bentele sollte in die reale Welt überwechseln. Es hat den Anschein, als lebten einige Politiker in irgend einer selbst gezimmerten virtuellen Realität. Es wäre interessant zu erfahren, wie lange ihr Assistent benötigt hat, um die „geleungenen Beispiele“ zu finden – ach nein, es ist ja ein Inklusionsbotschafter, da hat der Assistent ja Glück gehabt, dass dieses neue Projekt – von der Aktion Mensch gestartet und der IsL durchgeführt, existiert.
Das dieses Projekt gestartet werden musste, weil es um die Inklusion nicht wirklich gut bestellt ist, wird hierbei selbstverständlich außer Acht gelassen. Denn die meisten Inklusionsbotschafter haben selbst Jahre und Jahrzehnte für ihre eigene Sache streiten müssen. Das wird jedoch wohlweislich verschwiegen. Erst dadurch haben sie das Wissen, was sie in welchem Fall tun müssen und wie sie ihre Rechte erstreiten. Sein Recht zu bekommen, ist ein Ganztagsjob.
Aber wenn sich auf so einer Konferenz nur Bundestagsabgeordnete und die behindertenpolitischen Sprecher der Fraktionen finden, die sich herablassen, sich mit einigen Vorzeigebehinderten in einem Raum aufzuhalten, wissen sie nicht, wie es wirklich ist – und wollen es sicher auch nicht wissen. Auf einem luxuriösen Ponyhof zu leben ist allemal besser, als sich mit der ekeligen Wirklichkeit auseinandersetzen zu müssen.
Tatsache ist, dass Behinderte und deren Angehörige in aller Regel jahrelang kämpfen müssen, bis sie die ihnen zustehenden Rechte erstritten haben. Die reale Welt, ist hier zu finden. Tatsache ist, dass das „Persönliche Budget“ aus der Sozialhilfe kommt. Und solange wird „das Persönliche Budget eher auf ministerialen Hochglanzbroschüren zu finden sein. In der Praxis verträgt sich das SGB IX mit dem SGB XII wie Feuer und Wasser. Die Sozialhilfe kann mit dem liberalen Denken des SGB IX nichts anfangen. Die Sozialhilfe ist ein Machtinstrument des Staates. Nahezu jeder Antragsteller kam und kommt damit schmerzhaft in Berührung.“ Zitat aus ForseA (Bundesverband Forum selbstbestimmter Assistenz behinderter Menschen e. V.) – Geschichten aus Absurdistan.
Wie „wichtig“ der Regierung Behinderte sind, ist allein bei der Entgeltgestaltung der Behindertenbeauftragten der Bundesländer, Kommunen usw. zu sehen. Sie arbeiten alle ehrenamtlich. Auf schriftliche Anfrage von mir bei der Behindertenbeauftragten in Berlin, wie die Vergütung von Behindertenbeauftragten in Deutschland aussähe, rief in Windeseile eine Frau Jäger bei mir an, die unter wildem Gekicher erklärte, dass es sich um viel zu viele Fragen handle, sie ja so gar keine Zeit hätten, zu eruieren, wie die Vergütung in den einzelnen Bundesländern aussähe, und dass ich leider, leider jeden Behindertenbeauftragten in den Ländern selbst befragen müsste.
.
Meine Mail:
Sehr geehrte Damen und Herren,
die meisten Bundesländer haben Behindertenbeauftragte.
Gern hätte ich folgendes gewusst:
- Sind diese Stellen immer ehrenamtlich?
- Wenn nicht, wann sind sie ehrenamtlich, wann wird eine reguläre bezahlte Stelle gestellt?
- Handelt es sich dabei, ob ehrenamtlich oder feste Stelle, um eine Entscheidung der Bundesländer und gilt die Entscheidung dann für das ganze Bundesland?
- Nach welchen Kriterien wird über eine Ehrenamtlichkeit oder eben nicht, entschieden?
- Welche Paragraphen lassen den Spielraum zu?
- Wie bewertet die Behindertenbeauftragte des Bundes die Besetzung einer solchen Stelle als ehrenamtliches Tun, bezüglich der Wichtigkeit dieser Stelle, unter der Prämisse, dass eine Person mit einer bezahlten Stelle einen größeren zeitlichen Spielraum für diese Arbeit hat, als eine Person, die diese Stelle nur „nebenbei / ehrenamtlich“ ausfüllen kann.
Mit freundlichen Grüßen
usw. usf.
.
Aber zumindest hat sie sich zur letzten Frage geäußert und die Behindertenbeauftragte in Berlin „findet das ja so üüüberhaupt nicht gut, wenn die Behindertenbeauftragten nicht entlohnt würden“ Aha!
Nach meiner Recherche fand ich nicht einen Beauftragten, der vergütet worden wäre. Es macht den Anschein, als sei es Berlin schlicht zu peinlich gewesen, dies, vielleicht noch schriftlich, zuzugeben.
Was ist ehrenamtliche Arbeit wert?
Damit komme ich automatisch zur Frage, was ehrenamtliche Tätigkeit überhaupt wer ist, und ob es Sinn macht, diesen Job ehrenamtlich zu vergeben. Ehrenamtliche Tätigkeit ist in einer demokratischen Gesellschaft ein zentraler Stützpfeiler des Zusammenhalts. Ehrenämter sind meist freiwillig und unbezahlt, wobei es steuerliche Vorteile und hie und da eine Aufwandsentschädigung gibt. Ein Nutzen für den Beruf ist heute nicht mehr zu finden, vielmehr fürchten Arbeitgeber, dass die Leistungsfähigkeit seiner Mitarbeiter leiden könnte. Und so engagieren sich meistens Menschen, die tatsächlich schon oder zumindest bald aus dem Arbeitsleben ausscheiden werden.
Ehrenämter werden überall dort vergeben, wo es um soziale Belange geht. Für diese scheint sich der Staat häufig nicht zuständig zu fühlen. So findet man Ehrenamtliche bei der Feuerwehr, im THW, in Diakonien, Krankenhäusern, im Umweltschutz und eben auch bei der Behindertenarbeit – explizit als Behindertenbeauftragter. Tatsächlich entlastet sich der Staat durch Ehrenamtliche um Milliarden einerseits, andererseits braucht er sie – je nach Bedarf – auch nicht sehr ernst zu nehmen. Frei nach dem Motto: „Lasst sich mal die Behindertenbeauftragten an unseren Sozialgesetzbüchern abarbeiten. Dann sind sie beschäftigt – und wir machen weiter wie bisher“ werden Behindertenbeauftragte in aller Regel belächelt und wenig ernst genommen.
Erst wenn ein Politiker selbst zu Schaden kommt und zum Behinderten wird, stehen Mittel bereit, den Arbeitsplatz Bundestag umzubauen – selbstverständlich aus Steuergeldern…… Wenn ich es dagegen richtig sehe, gibt es vom Integrationsamt Fördermittel für Arbeitgeber, wobei durch das Programm „Behinderungsgerechte Einrichtung von Arbeits- und Ausbildungsplätzen“ nur Zuschüsse und / oder Darlehen gezahlt werden, wenn
- Arbeitsstätten behinderungsgerecht eingerichtet und unterhalten werden.
- Arbeitsplätze oder Ausbildungsplätze mit notwendigen technischen Arbeitshilfen ausgestattet werden.
- Teilzeitarbeitsplätze für schwerbehinderte Menschen eingerichtet werden (§ 81 Abs. 5 SGB IX).
- sonstige Maßnahmen zur dauerhaften behinderungsgerechten Beschäftigung schwerbehinderter Menschen veranlasst werden.
Fazit
Solange selbst Behindertenbeauftragte nur als Ehrenamtliche beschäftigt werden, solange sind die oben gemachten Äußerungen der Behindertenbeauftragten des Bundes wissentliche Lippenbekenntnisse, die einen Status vorgaukeln sollen, der nicht existiert – und die nur dem Amtsinhaber sein Pöstchen sichern sollen.
.
.
.
.
.
.
.
.
.