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Schon vor Monaten hatte ich mich zu diesem Thema auf Focus geäußert:
„Sterbehilfe ist in Deutschland aufgrund der deutschen Vergangenheit immer noch ein Tabuthema. Dennoch haben wir ein Grundgesetz, welches dem Menschen die freie Entscheidung und Selbstbestimmung über sein Leben lässt. Schwierig ist in dieser Debatte, dass sich vorzugsweise Gesunde dazu äußern, aber auch und vor allem Ärzte. Gerade Ärzte scheinen die größte Angst vor Krankheit und vor allem dem Tod zu haben. So gibt es nach neuesten Studien kein Land, in dem die Menschen so häufig zum Arzt gehen, wie in Deutschland. Dies sicher nicht, weil Deutsche öfter krank sind als der Rest der Welt. Vielmehr ist davon auszugehen, dass ein großer Teil der Ärzteschaft seine eigenen Ängste auf seine Patienten überträgt und ihnen so viel Angst einjagt, dass diese in einem Übermaß an Sorge um ihre Gesundheit von einer Untersuchung zur nächsten eilen. Deshalb ist es systemimmanent, dass viele Organisationen, allen voran viele Ärzte und deren Organisationen, sich gegen Sterbehilfe aussprechen.
Ein weiterer Punkt ist der nicht zu vernachlässigende Wirtschaftsfaktor ‚Sterbenskranke im Krankenhaus‘. Mit Magensonde, Atemschlauch und vielleicht noch ans Bett gefesselt, gibt es kaum Patienten, bei denen das finanzielle Preis-Leistungsverhältnis und der Ertrag für ein Krankenhaus so hoch sind, wie bei Sterbenden. Mehr als 400.000 Menschen sterben jährlich im Krankenhaus – ein nicht zu unterschätzender Wirtschaftsfaktor. Angeschaffte Geräte müssen sich schließlich amortisieren, also eingesetzt werden. Zwei Drittel der Gesundheitskosten eines Menschen entstehen beim Sterben, durch Pflege und Apparatemedizin. Jeder Krankenhaustag kostet zwischen 500 und 700 Euro, auf der Intensivstation bis zu 3000 Euro. Diesen Umsatz werden sich Krankenhäuser, die oft nicht ausgelastet sind, nicht entgehen lassen.
Andererseits: Tatsächlich kann nur ein schwer oder gar tödlich erkrankter Mensch beurteilen, ob er in seinem gegenwärtigen Zustand weiterleben möchte, alle Therapien ausprobieren will und – wenn er austherapiert ist – trotzdem noch so lange am Leben erhalten werden will, wie möglich. Es ist gleichzeitig ein Segen und ein Fluch der Evolution, dass ein gesunder Mensch kaum einen Gedanken an den eigenen Tod verschwendet, sich jedoch, wird er dennoch mit ihm konfrontiert, entsetzt abwendet. Dieser Mechanismus führt jedoch in weiten Teilen der Bevölkerung zu einer Ablehnung der Sterbehilfe. Demzufolge kann jede Aussage von Gesunden zur Sterbehilfe, nur eine emotionale Stellungnahme sein, auch wenn sie sich mit dem Mantel der Objektivität umhüllt.
Wenn dagegen das Grundgesetz zumindest im Bereich der Selbstbestimmung ernst genommen würde, müssten schwer erkrankte Menschen sich nicht würdelos das Leben unter unsäglichen Leiden selbst nehmen – oder sich wie Diebe ins Ausland stehlen, in dem es die Möglichkeit des selbstbestimmten Sterbens gibt.“
mit dpa-Material
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