Im August sollte die schwer gehbehinderte Elisabeth Kaiser als Zeugin ins Amtsgericht. Da Sie in Hamburg Dulsberg wohnt, musste sie von dort mit den öffentlichen Verkehrsmitteln nach Hamburg Barmbek. Wer Hamburg und vor allem den Hamburger ÖPNV kennt, weiß, dass das für jemanden, der durch eine Hüft OP auf einen Rollator angewiesen ist, erstens eine nicht unbeträchtliche Herausforderung ist und zweitens ziemlich lange dauert.
Wer schon einmal im Amtsgericht Barmbek vorstellig werden musste, weiß darüber hinaus, dass die dortigen Richterlein ihre Terminierung doch recht sportlich ausdehnen. Zwar entschuldigen sie sich wortreich und bitten um gut Wetter, wenn man dann in den Verhandlungsraum kommt, aber der Tag ist gelaufen. Wobei man wissen muss, dass diese Termine eigentlich nur je 15 Minuten dauern.
Wie dem auch sei. Als Frau Kaiser ihrer Bürgerpflicht nachgekommen war, musste sie pinkeln. Dazu benötigt sie aufgrund ihrer Behinderung jedoch ein Behinderten-WC wegen dessen Sitzerhöhung und dem Haltegriff. Das hat das Behinderten-WC im Amtsgericht Barmbek sogar. Nur leider ist das Klo abgeschlossen. Nur als Berechtigte, also mit Euroschlüssel, darf sie dort auf die Toilette. Und da sie noch nicht behindert genug ist – schließlich sind die Beine ja noch dran – bekommt sie den Schlüssel nicht.
Ganz frech sagt das Gericht, dass die Toilette abgeschlossen sei, um Vandalismus vorzubeugen. Auch würden sie nicht wollen, dass in der Toilette Obdachlose übernachteten – mitten am Tag? Öffentliche Gebäude sind nachts zu. Komisch nur, dass die normalen Toiletten im Gerichtsgebäude nicht abgeschlossen sind. Man sollte doch annehmen, dass zumindest am Tag eine Toilette, die zu einem öffentlichen Gebäude gehört, geöffnet ist. Nur wenige Behinderte würden sich beschweren, wenn sie aus den genannten Gründen nachts abgeschlossen wäre.
Dazu meint Frau Kaiser laut Hamburger Wochenblatt, Ausgabe Bramfeld vom 26.08.2022: „Vielleicht sollte man den Betroffenen einfach selber die Entscheidung überlassen, in welchem Maße sie sich eingeschränkt sehen und deshalb die geräumigeren Toiletten benötigen.“ Recht hat sie. Denn selbst ich bin schon von Behinderten gruselig angeraunzt worden, wenn ich sehr schlechte Tage hatte, unterwegs mit den normalen Klos nicht fertig wurde, ein ‘normales‘ Behinderten-WC nutzte und draußen ein Rollifahrer wartete. Nur weil man keinen Rolli oder einen Rollator hat, wird einem durchaus die Behinderung abgesprochen.
Aber es geht noch weiter. Frau Kaiser, nicht doof, wendete sich an die Gleichstellungsbeauftragte. Diese informierte sie, dass sie sich ein Attest von ihrem Arzt ausstellen lassen kann, auf dem ihr bestätigt wird, dass sie ein Euro-Behinderten-WC benötigt. Dann bekommt sie auch einen entsprechenden Schlüssel.
Dennoch will Frau Kaiser dafür kämpfen, dass in öffentlichen Gebäuden diese Toiletten auch ohne Schlüssel zugänglich sein müssen.
.